Selbstbestimmter Kaiserschnitt

 

Alle reden von selbstbestimmter Geburt, aber scheinbar hört das Verständnis dafür bei einem geplanten Kaiserschnitt auf. Unfreundliche Kommentare (u.a. von einer Hebamme aus dem Krankenhaus, in dem ich entbunden habe) waren keine Seltenheit und jeder hat eine Meinung dazu. Es können nur sehr wenige, diese (meine!) Situation so annehmen wie sie ist.

 

Dabei kann ich sagen, dass ich eine wunderschöne, selbstbestimmte Geburt hatte.

Einen geplanten Kaiserschnitt.

Um zu erzählen wie es dazu kam, muss ich etwas ausholen. Meine erste Tochter wurde 2017 geboren und damals hätte ich mir alles vorstellen können, aber niemals eine Geburt durch einen Kaiserschnitt. Ohne Schmerzmittel, sanft, die Lieblingsmusik im Hintergrund, am besten im Wasser. So sollte mein Kind zur Welt kommen. Der Tag der Geburt begann, wie ich es mir immer vorgestellt habe, am frühen Morgen mit Wehen. Badewanne hier, Spaziergang da, Besuch bei der Hebamme, nochmal Badewanne, irgendwann dann so starke Wehen, dass wir ins Krankenhaus gefahren sind. Der Muttermund war schon gut geöffnet, ab in den Kreißsaal. Und dann passierte, bis auf ewige, schlimme Wehen lange gar nichts. Das kleine, zierliche Baby hat den Weg ins Becken nicht gefunden und es kam zu einem Geburtsstillstand. Alle „Turnübungen“, alle Bemühungen halfen nichts. Am Ende wurden die Herztöne des Babys schlecht, das Fruchtwasser war grün und auch mein Blut zeigte erhöhte Entzündungswerte. Die Hebamme, die sich so viel Mühe gegeben hatte mich bei meiner natürlichen Geburt zu unterstützen, riet uns zu einem zügigen Kaiserschnitt.

Angst, starke Schmerzen, aber auch die Vorfreunde auf unser Baby begleiteten uns in den OP-Saal.

Dort ging dann alles recht schnell und das gesamte Team bereitete uns den Umständen entsprechend doch noch eine schöne Geburt. Mir und meiner Tochter ging es gut. Auch wenn ich mir alles anders vorgestellt habe, konnte ich die Situation gut annehmen und habe meinen Frieden damit gefunden.
Ungefähr drei Jahre später war ich wieder schwanger und dieses Mal stand schon recht früh die Frage im Raum, wie entbunden werden soll. So ganz konnte ich mir einen geplanten Kaiserschnitt noch nicht vorstellen, irgendwie wollte ich mir das Geburtserlebnis, welches ich beim ersten Kind durch die Wehen ja durchaus hatte, nicht nehmen lassen. Sowohl meine Gynäkologin als auch meine Hebamme wollten erst einmal abwarten und sehen, wie sich alles entwickeln würde. Bei einem gesunden und normal entwickelten Kind würde nichts gegen eine spontane Geburt sprechen. Aber genau das bereitete mir auch Sorgen.

Was, wenn mein Körper das nicht kann? Was, wenn ich mich wieder so bemühe und es am Ende doch wieder mit einem Kaiserschnitt endet?

Hin- und hergerissen wartete ich also ab und änderte ungefähr täglich meine Meinung. Die Schwangerschaft verlief nicht so wie geplant und vorgestellt, starke Übelkeit zu beginn, Einschränkungen wegen Corona, Rückenschmerzen und ein Kleinkind welches rund um die Uhr beschäftigt werden wollte. Ich hatte kaum Zeit mich auf mich, die Schwangerschaft und die bevorstehende Geburt zu konzentrieren. Wirklich genießen konnte ich gar nichts. Dann war es soweit, die letzte Vorsorgeuntersuchung bei der Frauenärztin und die nun endlich zu klärende Frage, wie soll das Baby zur Welt kommen? Medizinisch würde nichts gegen den Versuch einer natürlichen Geburt sprechen, aber das Risiko, dass es wieder zu einem Geburtsstillstand und damit wieder zu einem Kaiserschnitt kommen würde, sei erhöht. Ich holte mir noch eine zweite Meinung aus meinem Wunschkrankenhaus ein und traf dann endlich die Entscheidung, es soll ein geplanter Kaiserschnitt werden. Durch die damalige Coronalage war es dem Partner zu diesem Zeitpunkt nur bei einem geplanten Kaiserschnitt erlaubt mit in den OP zu gehen. Wäre es wie beim ersten Mal also unter der spontanen Geburt zu Komplikationen gekommen, hätte ich alleine zum Kaiserschnitt gemusst. Das war für mich absolut unvorstellbar. In dieser Situation unter Schmerzen, Aufregung und Angst ohne meinen Mann zu sein. Also stand nun der Geburtstermin fest und bei mir hat es Klick gemacht. Ab diesem Tag habe ich meine Schwangerschaft noch einmal so richtig genießen können. Wir haben alle nicht notwendigen Termine abgesagt, um die Zeit voll und ganz zu dritt zu genießen.

Ich habe mir Auszeiten nur für mich genommen und ich eine wahnsinnige Erleichterung verspürt. Endlich war die Entscheidung getroffen, mir ging es gut und ich habe mich auf die Geburt gefreut.

Den Tag vor dem Kaiserschnitt haben wir wunderschön zu dritt verbracht. Mein Mann und ich mussten in die Klinik, um einen Corona Test machen zu lassen, sowie noch einige Voruntersuchungen und Aufklärungsgespräche für OP und Narkose. Das Ganze ging recht schnell und so konnten wir den Sommertag mit unserem großen Mädchen schön ausklingen lassen. Es wurden Wasserbomben gemacht, im Garten gespielt und natürlich einen Geburtstagskuchen fürs Baby gebacken. Wir haben uns bewusst ein letztes Mal ganz intensiv nur um unsere Tochter kümmern können.
Dann kam der Tag der Geburt. Mit einem verrückt gemischten Gefühl aus Aufregung, Vorfreude aber auch Respekt vor der Operation machten wir uns früh am Morgen auf den Weg ins Krankenhaus, natürlich nüchtern. Wir wussten, dass wir heute unser Baby kennenlernen würden. Übrigens haben wir uns mit dem Geschlecht überraschen lassen und ich war mir zu 98% sicher, dass wir an diesem Tag einen Jungen in unserer Familie willkommen heißen würden.
Im Krankenhaus angekommen mussten wir zunächst zur Anmeldung und dann weiter in den Kreißsaal. Dort begrüßte uns die Hebamme und eine Praktikantin, die uns den kompletten Tag zur Seite standen.
Mir wurde ein venöser Zugang gelegt, Thrombosestrümpfe angezogen und noch ein MRSA Abstrich durchgeführt. Letzte Fragen wurden geklärt und ein bisschen gequatscht. Wir haben uns wirklich wohl und gut aufgehoben gefühlt. Da ich die erste geplante OP an diesem Tag sein sollte, wurde ich auch recht schnell abgerufen. In der OP-Schleuse lernte ich die Anästhesie-Pflegekraft kennen und die letzten Vorbereitungen wurden getroffen, bevor es in den Saal ging. Mein Mann und meine Hebamme waren stets an meiner Seite. Im OP wurde dann die Spinalanästhesie, sowie ein Blasenkatheter gelegt und kurz darauf ging es los. Der Anästhesist, mein Mann und die Hebamme hielten mich auf dem Laufenden was gerade so passiert, nahmen mir alle Ängste.

Und dann war sie schon da. Unser perfektes kleines Babymädchen. Ja, es war ein Mädchen.

Mein Gefühl hat mich also getäuscht. Nach einer kurzen Schrecksekunde, weil ich ja so sehr mit einem Jungen gerechnet habe, war die Freude riesengroß. Noch im Kreißsaal wurde mir eine Art Bauchgurt umgelegt, da wurde unser Baby reingesteckt und wir konnten direkt bonden und kuscheln. Während mich die Ärzte nähten, wurden also die ersten Still-Versuche unternommen und das Mädchen bestaunt. Ich musste sie keine Sekunde hergeben, selbst beim Umlagern von OP-Tisch auf mein Bett und die Fahrt zurück in den Kreißsaal war sie die ganze Zeit bei mir unter eine warme Decke gekuschelt. Dies ist eine Sache, die ich auf alle Fälle im Vorfeld klären und im Zweifel auch drauf bestehen würde, denn leider gibt es immer noch viele Kliniken die das direkte bonden nach Geburt nicht möglich machen.
Zurück im Kreißsaal haben wir dann in Ruhe das erste mal richtig gestillt, die Hebamme hat uns angeleitet und geholfen. Ich wurde frisch gemacht und durfte etwas essen und trinken. Und auch mein Mann durfte nun endlich das Babymädchen kuscheln. Da die Anästhesie so langsam nachließ, bekam ich direkt noch etwas gegen die aufkommenden Schmerzen und die U1 wurde durchgeführt. Nach ca. 3 Stunden im Kreißsaal wurden wir dann auf Station gebracht. Die ersten Stunden und Tage nach der Geburt ist man noch ziemlich eingeschränkt durch die Schmerzen, man benötigt auf jeden Fall Hilfe bei der Mobilisation und auch mit dem Baby, so war es mir am Anfang zum Beispiel nicht möglich selbst zu wickeln oder das Babymädchen aus ihrem Beistellbett zu heben. Dies hat dann mein Mann oder eine Krankenschwester übernommen. Man darf einfach nicht vergessen, dass es sich bei einem Kaiserschnitt um eine große Bauch OP handelt, mit all ihren Risiken und Nachteilen. So kam es für uns eben nicht in Frage am gleichen Tag noch nach Hause zu gehen. In der Regel sind vier Nächte im Krankenhaus Standard, ich durfte nach drei Nächten schon gehen, da es mir, trotz anfänglicher Schwierigkeiten (sehr starker Wochenfluss, Kreislaufprobleme bei Erstmobilisation und natürlich Schmerzen) ganz gut ging und ich auch auf die Entlassung bestanden habe.

Mein Ratschlag nach Kaiserschnitt: langsam machen, nichts überstürzen und nicht scheuen nach Schmerzmitteln zu fragen.

Zu Hause konnten wir uns dann komplett erholen. Ich durfte das Wochenbett richtig auskosten, mein Mann hat sich um das große Kind und unser Wohlbefinden gekümmert, meine Hebamme hat regelmäßig nach uns geschaut, meine Narbe kontrolliert und letzten Endes dann auch die Fäden gezogen.
Ob ich bei einer dritten Schwangerschaft wieder so entscheiden würde weiß ich nicht. Aber für diese Situation und diese Schwangerschaft war es die absolut richtige Entscheidung.
Wir hatten eine wunderschöne Geburt.